ich hätte zwei Fragen zu Begriffen bei Marx. [edit: ich sollte vielleicht dazu sagen, dass sich mein Kenntnisstand noch ungefähr auf die ersten paar Kapitel des Band 1 des Kapitals beschränkt. ich vermute, dass viele von den Dingen, wie sie in der Realität auftreten, so recht erst mit den anderen beiden Bänden klar werden. Aber vielleicht könnte man einen vorgeschmack erheischen. :-)]
Bisher hatte ich das immer so verstanden, dass der Wert einer Ware erst im Tausch entsteht. Aber ich glaube, das ist falsch.
Ich weiß, dass der Wert gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit überhaupt, also abstrakte Arbeit ist.
Angenommen, ich stelle einen Gebrauchsgegenstand für den Tausch auf dem Markt her, also eine Ware. Und ich benötige für die Herstellung dieser Ware eine Stunde. Und die Arbeitszeit, die für diese Sorte Ware üblicher Weise gesellschaftlich durchschnittlich notwendig zu verausgaben ist, sei ebenfalls eine Stunde.
Steckt dann die abstrakte Arbeit von 1h bereits in der Ware, bevor ich sie erfolgreich oder auch nicht auf dem markt verkauft habe?
Wenn ich das bei Marx richtig verstehe, würde ich sagen, ja. In der Realität kennt man die gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit von Gebrauchsgegenständen ja nicht, weil privat produziert wird. Aber unter den obigen Annahmen?
Und zum Preis: Verstehe ich das korrekt: Der preis einer Ware ist ihr Wert ausgedrückt in Geld.
Aber nun kann ja der Preis unter oder über dem Warenwert liegen. Könnte man das so sagen, dass wenn ein Unternehmer eine Ware produziert, und ihr ein Preisschild umhängt im Verkaufsraum, dass es sich dabei um eine Schätzung des Werts in der Ware handelt? Weil die gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit für sein Produkt kennt er nicht.
Falls das mit dem Schätzen stimmt, würde ich auch verstehen, warum der Preis um den Warenwert schwankt. Das wäre dann einfach statistisch so. Sonst nicht. :-)
Darüber wurde ja schon vor über 10 Jahren auch wieder zum Erscheinen von Heinrichs "Kritik der politischen Ökonomie" heftig gestritten. Aufgelöst ist die Frage in Wentzke/Möhl "Das Geld". Ich möchte mich jetzt nicht in die alten Diskussionen vertiefen, sondern erzähle was mir dazu einfällt.
Zitat"Steckt dann die abstrakte Arbeit von 1h bereits in der Ware, bevor ich sie erfolgreich oder auch nicht auf dem markt verkauft habe?"
Wenn der Wert dasselbe wäre wie eine bestimmte, konkrete Menge an Arbeitszeit die auf eine Ware verausgabt wird, dann bräuchte es ja die Form des Wert nicht. Dann könne man ja gleich statt Wert einfach die vergegenständlichte Arbeitszeit als Maßstab des Reichtums benutzen. Also so einfach kann es nicht ganz sein.
Also schauen wir uns nochmal an wie die abstrakte Arbeit beschaffen ist. Sie ist vergegenständlichte gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit. Der Punkt ist jetzt, dass was gesellschaftlich notwendig ist und was gesellschaftlich durchschnittlich ist, bei der Verausgabung in der Produktion überhaupt nicht festgestellt werden kann, da im Kapitalismus alle verausgabte Arbeit Privatarbeit ist. Ein Privateigentümer kauft sich c+v, die Elemente des konstanten und variablen Kapitals, um Waren zu produzieren, die im Verkauf einen Überschuss über seinen Vorschuss bringen. Auch wenn der Kapitalist für die zahlungsfähige gesellschaftliche Nachfrage produziert ist seine Produktion keine unmittelbar gesellschaftliche, sondern eine private. Der Kapitalist kann nun seine Produktion so einrichten, dass auf seine Ware möglichst nur gesellschaftlich notwendige Arbeit verausgabt wird und tut das auch, aber letztendlich mit Sicherheit sagen kann er nicht, was gesellschaftlich notwendig ist. Das stellt sich nämlich erst auf dem Markt heraus, wo sich die Ware des Kapitalisten übers Geld mit allen anderen Waren ins Verhältnis setzt. Hier treten die Waren und damit die konkreten Privatarbeiten in einen Vergleich in ein gesellschaftliches Verhältnis zueinander. Hier stellt sich heraus inwieweit die konkrete Privatarbeit tatsächlich gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit war. Die Arbeit, auch die vergegenständlichte gesellschaftlich notwendige Arbeit, "entsteht" natürlich dort wo sie verausgabt wird, und das geschieht im Produktionsprozess. Sie erscheint (tritt zu tage) aber erst dort, wo sich die Arbeiten als gesellschaftliche miteinander vergleichen und das geschieht auf dem Markt.
Zitat"Könnte man das so sagen, dass wenn ein Unternehmer eine Ware produziert, und ihr ein Preisschild umhängt im Verkaufsraum, dass es sich dabei um eine Schätzung des Werts in der Ware handelt?"
Nein, weil der Unternehmer ja nicht weiß, was Wert ist. Der verlangt einfach soviel, wie seiner Ansicht nach der Markt hergibt. Soviel wie er auf dem Markt durchsetzen kann. Der richtet den Preis nicht an einer fiktiven Größe namens Wert aus. Rennen ihm die Leute die Bude ein, setzt er den Preis hoch. Bleibt sein Zeug liegen geht er runter. Die Unternehmer versuchen ja auch ständig durch das Ersetzen von v durch Maschinerie einen Extraprofit zu erzielen. Würden sie den Preis ihrer Ware aber an dem Ausrichten, was tatsächlich im Betrieb an Arbeitskosten anfallen, wäre Extraprofit gar nicht möglich.
Zitat"Falls das mit dem Schätzen stimmt, würde ich auch verstehen, warum der Preis um den Warenwert schwankt."
Der Preis schwankt um den Warenwert, durch die Schwankungen von Angebot und Nachfrage. Die klassische bürgerliche Ökonomie sagt der Wert wird bestimmt durch Angbot und Nachfrage. Wobei ziemlich im Dunkeln bleibt warum ein Streichholz weniger wert ist, als ein Auto. Eben weil die Höhe des Werts, um den der Preis schwankt nicht mit Angebot und Nachfrage erklärt werden kann, sondern nur mit der Menge an gesellschaftlich durchschnittlicher Arbeitszeit, die auf eine Ware verausgabt wurde.
Wie der Zusammenhang von Wert und Preis genau ist, zeigt Marx erst im dritten Band des Kapitals. Da kommt dann was raus, was auf dem Stand des ersten Bandes ziemlich paradox klingt jedenfalls sehr verwunderlich ist. Nämlich , dass die einzelnen Waren nicht zu ihren Werten verkauft werden. Zwar entspricht die Wertsumme aller Waren auch der Preissumme aller Waren. Aber der Preis einer beliebigen Ware entspricht höchstens zufällig ihrem Wert. Du siehst es bleibt spannend bis zum Ende von K3.