Dein erster Fehler ist schon mal, dass du dir "Gedanken zur Zukunft unseres Landes" machst. Du fragst also nicht: Wie geht's mir und dir und den Leuten, die ich so kenne und mag, sondern du fragst dich: Wie geht es Deutschland in Zukunft?

Deutschland ist ein Projekt, das den Zweck hat gegen andere Nationen um Kontrolle über abstrakten Reichtum und Reichtumsvoraussetzungen zu konkurrieren und für diesen Zweck nimmt sie ihre Bevölkerung in Anspruch. d.h. sie bedient sich an dem produzierten Reichtum in ihrer Gesellschaft, um sich als Staatsgewalt die dafür notwendigen Mittel zu beschaffen. Deshalb fördert sie auch das Kapitalwachstum in ihrer Gesellschaft. Das geschieht indem sie die beiden Klassen, also die einen, die mit fremder Arbeit ihr Kapital vermehren und die anderen, die abhängig von Lohn sind, um ihr Leben bestreiten zu können, funktionell aufeinander bezieht. Damit das Kapital hohe Gewinne macht muss der Lohn niedrig sein. Mit anderen Worten, damit es der Nation gut geht, müssen fast alle (außer vielleicht 1% Kapitalisten) arm sein. Deutschland voranbringen heißt also damit einverstanden zu sein, dass das Kapital immer reicher und alle die von Lohn leben müssen immer ärmer werden. Und es heißt vor allem mit dem Zweck dieses Gebildes, nämlich 1. Kapitalistische Reichtumsvermehrung soll der Zweck der Gesellschaft sein und 2. die Nation konkurriert mit anderen Nationen um Kontrolle über die Voraussetzungen der Reichtumsproduktion und die Reichtumsproduktion selbst (Standortpflege) - was eine ziemlich gewaltträchtige Angelegenheit ist, wie man an den verschiedenen "Friedensmissionen" studieren kann. Über das Wohl von Deutschlands Zukunft zu sinnieren ist dein Hauptfehler.

Die sonstigen Widersprüche, Ideologien und Fehler in diesem Text kann ich nur kurz ansprechen.
1. du hast den Zusammenhang von Freiheit, Selbstbestimmung und Eigentum noch nicht verstanden, sonst wüsstest du, dass Selbstbestimmung und Freiheit gerade k e i n Schutz vor Ausbeutung ist, sondern der Titel, mit dem sie legitimiert wird. Freiheit ist die Freiheit des Eigentums, die Freiheit andere von der Verfügung über das alles Eigene auszuschließen und sie so mit ihrer Bedürftigkeit zu erpressen für Lohn zu arbeiten, der seine Rentabilität für den Käufer der Arbeitskraft unterstellt.

2. Deine Aussagen bezüglich Sozialismus und Kapitalismus sind Ideologie. Weder entmündigt der Sozialismus den Menschen, noch war es ein Spezifikum der vergangenen realsozialistischen Staatswesen, die du mit "Sozialismus" wohl ansprichst, dass der Staat allmächtig war. In Sachen "Willkür des Staates" meine ich auch, dass es nicht ausgemacht ist, ob bürgerliche oder realsozialistische Staaten das Ranking gewinnen würden. Davon abgesehen ist "Willkür" auch ein wenig durchdachter Vorwurf. Die Kür aus dem Staatswillen ein Gesetz zu machen, das diesen der Gesellschaft allgemeinverbindlich vorschreibt, beherrscht noch jede Regierung. Zu kritisieren sind die Inhalte staatlichen Willens und nicht, ob sie per Gesetz oder per Beschluss, per Verordnung, per Befehl oder sonst irgendwie der Gesellschaft vorgeschrieben werden. Der Kapitalismus schenkt nicht "dem Einzelnen die Möglichkeit der eigenen Entfaltung und belohnt sein Schaffen". Das ist bloße Ideologie. Die Wahrheit ist, dass diejenigen, die die meiste Mühe und Anstrengung bei ihrem "Schaffen" haben, am wenigsten verdienen. Nur der verdrehte Opportunismus bürgerlichen Erfolgs lässt das umgekehrt erscheinen. Vom monetären Verdienst wird zurückgeschlossen auf die Leistung. Jemand der viel verdient, der muss ja viel leisten, sonst würde er ja nicht so viel verdienen. Umgekehrt umgekehrt. So wird dann auch eine Leistungsmoral daraus und jeder verdient immer genau soviel, wie er leistet.

3. Dein Volksidealismus. Wer sagt dir denn, dass das Volk unterdrückt und entrechtet ist bzw. dass es in diesem Land ganz anders zuginge, wenn bloß erst das Volk das Sagen hätte. Ich kann leider nirgends diese Volksproteste gegen die momentanen Zustände entdecken. Die Leute wollen vielmehr sich ihre Brötchen als Eigentümer ihrer Arbeitskraft verdienen und die wollen auch eine Nation. Sie sehen ein, dass Standortpflege vom nationalen Standpunkt aus betrieben werden muss, dass die Lohnnebenkosten zu hoch sind, dass "wir" uns unserer weltweiten Verantwortung stellen müssen und dazu deutsche Soldaten in Afghanistan unerlässlich sind usw. Das Volk sieht leider alle kapitalistischen und nationalen Notwendigkeiten ein. Deshalb verstehe ich gar nicht, was eine Volksabstimmung daran ändern sollte. Die würden eben nach wie vor das gleiche einsehen und ablehnen und daher würden auch bei einer Volksabstimmung keine wesentlich anderen Entscheidungen gefällt als in der parlamentarischen Demokratie.

"Missstand" ist eine Diagnose, die eine verkehrte Sicht des demokratischen Staates unterstellt. Der Staat wäre nämlich nicht "eigentlich" in Ordnung, wenn er nur nicht die von dir angeführten "Missstände", wie "Fremdbestimmung" aufweisen würde, sondern er ist ganz grundsätzlich eine schädliche Angelegenheit für die Mehrzahl des Volkes.

Außerdem halte ich es für verkehrt, die ganzen Härten, Grausamkeiten und Schweinereien des kapitalistischen Alltags unter dem Label "Es herrscht Fremdbestimmung" zusammenzufassen. Das ist erstens nicht die Wahrheit. Denn die Leute gehen ganz freiwillig arbeiten und sehen am Ende immer ein, was von Ihnen verlangt wird. Zweitens sind die hässlichen Seiten des Kapitalismus keine Folge von Fremdbestimmung bzw. von fehlenden Rechten, fehlender Selbstbestimmung und fehlender Freiheit, sondern sie sind im Gegenteil eine Folge von Selbstbestimmung und Freiheit - der Freiheit des Eigentums und der Selbstbestimmung des Kapitals nämlich. Selbstbestimmung ist nämlich nicht an sich "Gut", während Fremdbestimmung "Böse" ist. Es kommt eben immer auf den Inhalt der Freiheit an. Es kommt immer darauf an wer mit welchen Interessen selbstbestimmt handelt. Das selbstbestimmte Handeln des Kapitals schadet allen außer dem Kapital selbst. Deshalb lehne ich Freiheit und Selbstbestimmung als Wert ganz und gar ab. Dieser Wert egalitär auf alle angewandt ist immer die Freiheit und Selbstbestimmung des Stärkeren, eben die Freiheit und Selbstbestimmung von Kapital und Eigentum. Ihre Freiheit hat das Resultat, dass sich alle anderen danach richten müssen, die außer ihrer Arbeitskraft kein Eigentum haben und die deshalb mit ihren Lebensbedürfnissen erpressbar sind. Das erleben sie dann als Fremdbestimmung.

Ebenso falsch ist es einfach ein "neues Gemeinschaftsgefühl" erzeugen zu wollen. Die Gemeinschaft, die es real gibt in dieser Gesellschaft, nämlich die Gemeinschaft der Eigentümer und der Wille zum Privateigentum als Form der Reichtumsproduktion und die Gemeinschaft der Nationalisten, also all derjenigen, denen Deutschland nie stark und erfolgreich genug sein kann, halte ich für einen fatalen und schädlichen Fehler. Diese Gemeinschaft hat einen verkehrten Inhalt. Es kann also nicht um Gemeinschaft per se gehen, nicht darum, dass die Menschen wieder mehr zusammenstehen und so Quark. Zunächst sollten sie sich mal Rechenschaft darüber ablegen, welchen Zweck die Gemeinschaft verfolgt, der sie momentan angehören und die sie in nationalen Festen, wie Feiertagen und Fußballspielen bejubeln. Meiner Ansicht nach kommt bei dieser Bilanz nämlich heraus, dass sie den Zweck dieser Gemeinschaft besser ablehnen sollten und diese Gemeinschaft nicht weiter pflegen sollten. Nach meinem Geschmack herrscht also zu viel nationale Gemeinschaft und nicht zu wenig. Es taugt auch hier nicht, einfach abstrakt mehr Gemeinschaft zu fordern. Man muss schon dazusagen, um welche Sorte Gemeinschaft es sich handeln soll. Gegen eine Gemeinschaft der Kapitalismus- und Nationalismuskritiker hätte ich nichts einzuwenden. Von einer nationalen Gemeinschaft, die aus Befürwortern des Eigentums besteht, halte ich nichts.