Krim: "Man muss sich entscheiden, entweder das Volk ist ein staatlich gestifteter Zwangszusammenhang, dann kommt es auf den Willen von unten nicht an. Oder aber der Wille von unten stiftet die Gemeinsamkeit, dann ist es kein Zwangszusammenhang. Laut Decker soll es aber immer beides sein und dann ist eines von beiden immer das unnötige Anhängsel - entweder der Zwang des Staates, wenn man auf dem Standpunkt des Volkswillens steht als konstituierendes Element oder der Volkswille, wenn man auf dem Standpunkt des staatlichen Zwangs steht. Bei Decker ist es letzteres. Der Volkswille kommt daher als völlig irrationale, logisch nicht nachvollziehbare Zustimmung zu einem vorausgesetzten Zwang. Eine Zustimmung auf die es erstens gar nicht ankommt und die zweitens auch noch irgendwie die Folge der Zwangsverhältnisse sein soll."
Das ist irgendwie das Lahme an Deckers Argumantation: Daß er letztlich dabei landet, beim notwendig falschen Bewußtsein der Staatsbürger das Falsche so sehr zu betonen, daß man sich doch fragen muß, wieso das dann notwendig sein soll. Gerade beim Anhören seines letzten Vortrags bleibt nur ein einziges Kopfschütteln über soviel sol ange druchgehaltene Irrationalität.
Zitat von KrimWarum ist denn deiner Meinung nach das falsche Bewußtsein notwendig?
Ich bin mir ja noch nicht mal im Klaren, ob es überhaupt notwendig ist. Im engeren logischen Sinn ja eh nicht. Das "beweisen" ja die doch immer schon aufgetretenen Dissidenten. Aber dieser Beweis ist halt schwach, weil so durchgängig minoritär. Und das läßt mich angesichts der historisch doch recht langen stabilen Vorherrschaft des Volksbewußtsein da eine Notwendigkeit zumindest vermuten
@Tofu: Zumindest ist das, was du meinst nicht das landläufige Verständnis von notwendig falschem Bewusstsein nach Marx. Damit ist gemeint das wenn man sich einrichtet, die gesellschaftlichen Verhältnisse als selbstverständliche Vorausetzungen des eigenen Interesses betrachtet, die Welt nur noch betrachtet unter dem Gesichtspunkt, welche Gelegenheiten sie eröffnet, - dann folgt daraus notwendig ein falsches Bewusstsein (weil es sich eben um eine interessierte Sichtweise handelt). Notwendig falsches Bewußtsein bedeutet nicht, dass irgendwer notwendig zum Systembefürworter werden muss.
@libelle: Punkt 1 und 2 kann ich nachvolliehen Bei Punkt 3 zweiter Spiegelstrich gefällt mir die Formuierung nicht: "Damit einzelne Volksangehörige nicht etwa auf die Idee verfallen ihre Interessen doch wichtiger als die Konkurrenz der Nationen zu nehmen, hat das Volk sein Konkurrenzinteresse institutionalisiert und sich als Herrschaft gegenübergestellt." Das klingt so als würde Herrschaft wegen des potentiellen Ungehorsams einzelner Volksmitglieder notwendig werden. Sie ist aber notwendig (wie im Satz danach klar wird) wegen des Gegensatzes, den der Zweck Imperialismus zum Wohl der Menschheit aufmacht. (Aus dem Schaden durch diesen Gegensatz folgt dann auch, dass der Einzelne sich ihm entziehen will.) Staatenkonkurrenz macht eine Produktion von Reichtum notwendig, der nicht der Konsumtion zur Verfügung steht d.h. Ableistung von Mehrarbeit. Herrschaft ist also die Organisation von Ausbeutung zum Zweck der Staatenkonkurrenz.
Zitat von Krim@Tofu: Zumindest ist das, was du meinst nicht das landläufige Verständnis von notwendig falschem Bewusstsein nach Marx. Damit ist gemeint das wenn man sich einrichtet, die gesellschaftlichen Verhältnisse als selbstverständliche Vorausetzungen des eigenen Interesses betrachtet, die Welt nur noch betrachtet unter dem Gesichtspunkt, welche Gelegenheiten sie eröffnet, - dann folgt daraus notwendig ein falsches Bewusstsein (weil es sich eben um eine interessierte Sichtweise handelt). Notwendig falsches Bewußtsein bedeutet nicht, dass irgendwer notwendig zum Systembefürworter werden muss.
Ich weiß, die Notwendigkeit wird von vielen Marxisten durch dein "Wenn" stark relativiert. Ich habe dazu auf die Schnelle folgende Stellen (beide von Peter Decker vom GegenStandpunkt) gefunden:
"In seiner Kritik des Lohnsystems und seiner Agitation gegen die Bereitschaft der Arbeiter-klasse, dabei mitzutun, hat Marx vom notwendig falschen Bewusstsein der Insassen des mo-dernen Klassenstaats und davon geredet, dass da das gesellschaftliche Sein das Bewusstsein bestimmt. Gemeint hat er damit den Skandal, dass die kapitalistische Klassengesellschaft, so aufgeklärt, vernunftgeleitet, egalitär und materialistisch sie daherkommt, ihren Mitgliedern wie ein Sachzusammenhang von eigentümlicher, reichlich undurchsichtiger, dabei sehr einsei-tig zweckdienlicher Eigengesetzlichkeit gegenübertritt: Die gesellschaftlichen Beziehungen sind überhaupt nicht in irgendwelchen halbwegs vernünftig durchdachten und in gemeinsamer Beratung zur Beschlussreife gebrachten Interessen begründet, geschweige denn, dass sie darin aufgehen würden; vielmehr haften sie in ganz irrationaler, gar wissenschaftlich erklärungsbe-dürftiger Weise am Geld und den Sachgesetzen seiner Vermehrung; den Leuten werden ihre eigenen Interessen, und zwar lauter klassenspezifisch gegensätzliche Interessen an einem Ausbeutungsverhältnis, durch die ökonomischen Objekte vorgegeben, derer sie sich bedienen müssen; und wenn die Lohnarbeiter, notgedrungen, sich darauf einlassen und mit den gegebe-nen Verhältnissen einzurichten suchen, machen sie schon einen Fehler, unterwerfen sich näm-lich zu ihrem Schaden dem kapitalistischen Eigentum. Genommen worden sind Marx‘ kriti-sche Anmerkungen zur buchstäblichen Verrücktheit „marktwirtschaftlicher“ Produktionsver-hältnisse allerdings ganz anders. Heerscharen von Interpreten des Kapitalismus haben sich auf seine Stichworte gestürzt – linke Kritiker, die sich in seiner Nachfolge gesehen haben, ebenso wie bürgerliche Apologeten –; und sie haben daraus lauter grundverkehrte Theorien über eine angeblich ganz naturwüchsige, ziemlich unausweichliche und insofern auch gar nicht weiter kritisierbare Determiniertheit der menschlichen Psyche herausgesponnen. Die Härte von „notwendig falschem Bewußtsein“ besteht darin: Im Kapitalismus ist jeder, der ein freier Lohnarbeit ist, gezwungen, sich zu arrangieren mit den Verhältnissen. Übrigens, das gilt auch für den Kommunist: Deine Brötchen bekommst du nicht, bloß weil du ein Kommu-nist ist und nicht ans Geld glaubst, deshalb bekommst du die Brötchen nicht ohne Geld. Also dieses Arrangement ist unvermeidlich. Zweitens: in den Verhältnissen, wo du gezwungen bist, dich nach deren Theorien zu richten, ist ein Bewußtsein deiner Freiheit nur als falsches Be-wußtsein zu haben. Es ist ein Bewußtsein dessen, daß diese ökonomischen Einrichtungen - Lohnarbeit, Kapital, Geld - Mittel für dich sind, die Demokratie ein Mittel dafür, daß der Bür-ger auf den Staat einwirkt, und so zu, eben Gedanken meiner Freiheit, daß die Welt sich um mich dreht. Dieses Bewußtsein, der geistige Standpunkt des konstruktiven Mitmachens, der ist nur zu haben, durch Konstruktionen falscher Gedanken. In dem Sinn ist das falsche Be-wußtsein im Kapitalismus notwendig. Nicht notwendig ist es - und so haben es die Vertreter des realen Sozialismus aufgefaßt - in einem gewissermaßen erkenntnistheoretischen Sinn: man kann nichts anderes erkennen! Natürlich kann man, man kann sich mit den Sachen befas-sen und fragen, worum es geht. Da ist der Gegensatz deutlich: notwendig ist das falsche Be-wußtsein nicht aus theoretischen, sondern aus praktischen Gründen. Die sind natürlich keine theoretisch notwendigen Gründe. Es gibt keinen Grund, warum man sich nicht einen richtigen Gedanken machen sollte. Außer dem: Dann bekommt die eigene Praxis nicht mehr recht. Dann bricht das “ich bin Arbeiter, und verdiene mein Geld, und ziehen meine Kinder auf”, dann kriegt das nicht mehr recht. Das ist die einzige Notwendigkeit des notwendig falschen Bewußtseins. Aber das darf man nicht so radikal denken, daß man das “notwendig” für er-kenntnistheoretisch sozusagen unvermeidlich erklärt und dann damit natürlich auch das Wort “falsch” quasi aus der Welt schafft." (Das erste aus dem Proletariat-Buch, das andere aus einer Vortragsabschrift)
Wenn dein "Wenn" nur einfach eine geistige Wegegabelung beschreiben würde, so nach dem Schema, gehen wir ins Kino oder zum FCN, dann bliebe die unerschütterliche "Vorliebe" für das Chancen suchen zu erklären. Denn es ist doch offensichtlich nicht so, daß man die Leute nur auf den grundlegenden Fehler ihrer Entscheidung hinweisen müßte, und schon lassen sie das sein, so wie man heute zumeist nicht mehr seine Kinder mit Spinat malträtiert, weil da nach neueren Studien doch nicht so fürchterlich viel nützliche Sachen drin sind.
"Ich weiß, die Notwendigkeit wird von vielen Marxisten durch dein "Wenn" stark relativiert." Nein. Die Notwendigkeit, die ich meine wird überhaupt nicht relativiert. Wer zurechtkommen will hat mit absolut 100%iger Notwendigkeit ein falsches Bewußsein. Andererseit gibt es eine 0%ige Notwendigkeit den Zwang im Kapitalismus sein leben fristen zu müssen, zu seinem eigenen Willen zu machen.
"Denn es ist doch offensichtlich nicht so, daß man die Leute nur auf den grundlegenden Fehler ihrer Entscheidung hinweisen müßte, und schon lassen sie das sein,.." Ich sagte auch nicht, dass es sich um einen interesselosen Irrtum (z.b. ein Hase rennt schneller als ein Gepard) handelt, sondern um ein Interesse, das sich möglicherweise um seine Fehlerhaftigkeit nicht schert. Alles weitere bitte im zugehörigen Thread, aber vielleicht ist dieses Nebenthema auch zu Ende.
M.E. geht es noch ein bisschen um die Bestimmung des Gegenstands des Projektes (bzw. seiner Grenzen).
Nochmal zur Geschichte:
Du schreibst weiter oben:
Zitat von krim So wie ich es mir denke, soll es um den Zusammenhang von Volk und Staat gehen. Dieses Verhältnis wäre dann allgemein zu bestimmen und an Beispielen auszuführen (vielleicht nach Produktionsweisen gegliedert, Jäger/Sammler, Nomaden, Ackerbau/Feudalismus, Kapitalismus).
Ich muss ehrlich sagen, dass mir in dieser Form das Projekt nicht gefallen würde, weil man sich, kaum hat man irgendeinen Text verfasst, den Vorwurf einhandelt, dass man die historischen Beispiele nur aus Liebhaberei, oder um einem marxistischen Formalismus zu genügen in den Text hat einfließen lassen (alles ist irgendwie historisch). Es muss also eine begründete Auseinandersetzung mit der Geschichte in den Text und das auch nicht weil mir das so gefällt, sondern weil der Gegenstand nicht anders zu erklären ist. Wohl ist sein "Was ist?" zu einem gewissen Grad bestimmbar, die Gesetze seines Werdens sind aber durch die Antwort auf die Frage nach dem "Was ist?" noch nicht bestimmt und deshalb ein separater Gegenstand (und heute "wird" alles auch noch, also ist das Werden Teil des 'Was ist?'). Wenn man sich die Frage, was ist Eisenoxid vorlegt, dann ist mit dem "Was ist?" auch das "Woher kommt?" im Wesentlichen geklärt. Bestandteile Eisen, Sauerstoff; Woher kommt das? Oxidation - fertig. Ganz anders ist das mit der Gesellschaft. Die Prozesse, die zu den einzelnen gesellschaftlichen Erscheinungen führen sind ausgelöscht wenn sie mal fertig vor einem liegen. Heute hat man eine Welt konkurrierender kapitalistischer Nationen vor sich, also einerseits Völker, andererseits eine bestimmte Produktionsweise, die weltweit durchgesetzt ist. Wie hängt denn beides zusammen, gibt es einen Übergang zwischen beidem, warum ist das so eingerichtet? Das ist nur historisch zu klären. Und das ist der erste Punkt, dem ich eine Notwendigkeit der theoretischen Auseinandersetzung mit der Geschichte entnehme. Man muss einfach hinterhersteigen, wie wie die Entwicklung der Produktionsverhältnisse historisch gegangen ist - dazu hat Marx in den Grundrissen schon einiges geleistet (Berlin 1953 375 ff. oder MEW 42 383 ff.). Es ist eine irrige Auffassung des GSP einen Gegenstand nur als zeitlosen Snapshot erklären zu wollen, der die Dimension Zeit ohne jeden Zweifel hat und zwar nicht nur äußerlich. Das kann nur zu Fehlern führen und darin liegt schon der erste. Der zweite Punkt ist (der erste nochmal anders betrachtet), dass die Erklärung dessen, was ein Volk ist eben wirklich sowas wie ein Schlüssel zur Erklärung des gesellschaftlichen "Ganzen" ist, allerdings nur über die Befassung mit der Geschichte. Es ist die (bisherige) historische Konstante schlechthin. Ich hätte das Gefühl, dass man was verschenkt, wenn man das nicht versucht. Das habe ich seit einiger Zeit in Arbeit, ich lese mich also durch alle möglichen Geschichtsbücher, und bin über die Verfolgung der Literaturverzeichnisse darauf gestoßen, dass es dazu mal sowas wie eine wissenschaftliche Debatte in den 20'er Jahren gab. Einen Vertreter davon (Heinrich Cunow) ziehe ich mir gerade rein (Weggefährte von Kautsky). Er hat eine 4- Bändige Wirtschaftsgeschichte geschrieben, der manchmal die politische Seite fehlt (muss man sich dazu denken). (Und ein sehr gutes Buch über die Inkas). Der kritisiert das Schema Urkommunismus-Klassengesellschaft-Kommunismus (im wesentlichen weist er es mit Fakten zurück und hat etwas merkwürdige Ansichten, was Kommunismus sei) Der Typ ist ein klasse Wissenschaftler, von dem man eine Menge lernen kann. Er hat einen richtigen Fundus an Informationen zusammengetragen. Er hat auch ein 2-bändiges Werk über die Marxsche Geschichts- und Gesellschaftstheorie geschrieben, das ich nach der Wirtschaftsgeschichte mal lese. Garantie für Qualität und Richtigkeit gibt es keine. Modernere Geschichtsbücher (Oldenbourg Reihe etc...) zählen mit wenigen guten Ausnahmen nur zeitliche Abläufe auf, versuchen sich also i.d.R. nicht an einer Theorie des betrachteten Abschnitts und stellen deshalb das Material ein bisschen willkürlich zusammen. Manche sind aber in ihrer Akribie dann wieder so gut, dass es Spaß macht sie zu lesen (z.B. Heike Grieser, Sklaverei im spätantiken und frühmittelalterlichen Gallien). Ein Highlight war für mich ein Buch über byzantinische Stadtentwicklung, habe aber den genauen Titel vergessen - und dann noch eins vom Keilschriftentzifferer (Hrozny oder so, allerdings ein bisschen in der Rassentheorie der 30'er befangen). Zurück zum Thema, ich fasse die erste Notwendigkeit der Befassung mit Geschichte nochmal anders: Wer sich vornimmt zu erklären, was ein Volk ist, der kommt an einer Befassung mit Geschichte nicht vorbei, weil Volk kein kapitalistisches Spezifikum ist, und deshalb das Verhältnis von Volk und Kapitalismus was zu Klärendes, das sich in das Verhältnis von Volk und Produktionsverhältnissen auflöst. Der Zusammenschluss zu einem Volk hat einen ökonomischen Grund und deshalb gibt es da ein Verhältnis und das besteht nicht in der "Auswahl" der Produktionsverhältnisse durch das Volk, die irgendwie unabhängig von ihm entstehen, sondern dieses Gewaltverhältnis ist ein ganz wesentlicher Grund der Änderung und Entwicklung von Produktionsverhältnissen. Diese ganze Geschichte ist zu klären, wenn man was über das Volk schreibt. Handel - historisch auch eine Konsequenz der Organisation der Menschheit in Völker. Die gleichen Argumente gelten für Imperialismus und Herrschaft.
Ein weiterer Grund sich mit ein paar historischen Themen zu befassen liegt bei der Herrschaft, die Verselbständigung des Volkszweckes auf der Grundlage eines allgemeinen Willens dazu ist. Auf dieser Grundlage (und das ist das Körnchen Wahrheit an der GSP Theorie über das Volk) stellt die Herrschaft das Volk her! Auf der Grundlage eines allgemeinen Willens zum Volk verpflichtet sie alle zum Dienst an diesem Zweck und nimmt selber zum Volk den Standpunkt des Materials ein, das es für die Nationenkonkurrenz zu sein hat. Da ist m.E. ein Scheidungsprozess unterstellt, der entlang der militärischen Unterordnung gegangen ist.
Re: Prinzipien -> Volk ist so ein Prinzip (mit dem man brechen sollte). Die Gedanken wie historischer Fortschritt geht findet man in den Grundrissen (Seite steht oben) - um mit deinen Anmerkungen fertig zu werden schreibe ich jetzt dazu nichts.
"Der Zusammenschluss zu einem Volk hat einen ökonomischen Grund und deshalb gibt es da ein Verhältnis und das besteht nicht in der "Auswahl" der Produktionsverhältnisse durch das Volk, die irgendwie unabhängig von ihm entstehen, sondern dieses Gewaltverhältnis ist ein ganz wesentlicher Grund der Änderung und Entwicklung von Produktionsverhältnissen." Ich dachte über die Existenz eines ökonomischen Grundes für ein Volk seien wir hinaus. Außerdem formulierst du da einen Zirkel. Produktionsverhältnisse (ökonomischer Grund) sollen der Grund für eine Volk sein und gleichzeitig soll seine Gewalt der Grund für die Änderung von Produktionsverhältnissen sein. Ersterem stimme ich nicht zu, zweiteres wäre zu erläutern.
Der Schluß des dritten Gliederungspunktes war ja, dass die Herrschaft Ausbeutung organisiert oder anders ausgedrückt, dass sie sich bei ihrem Volk die Reichtumsmittel zur Verfolgung ihres Konkurrenzzweck gegen fremde Staatsgewalten beschafft. Jedenfalls verfolgt sie den Zweck Mittelbeschaffung. Das kann auf verschiedene Weisen von statten gehen. Grundlage ist die Ausbeutung des eigenen Volkes. Sie kann auch versuchen fremde Völker zu erpressen (Tribut) bzw. unterworfene Völker berauben, versklaven usw. (das unterstellt Erfolge in der Gewaltkonkurrenz) Dann gibt es natürlich auch die Möglichkeit ertragreiche Ausbeutungsverhältnisse bei sich herzustellen. Das heißt nicht, dass die Staatsgewalt Produktionsweisen erfindet. Was man aber m.E. auf jeden Fall sagen kann ist, dass die Konkurrenz der Nationen die Konkurrenten dazu zwingt (ihr Wille am Konkurrenzerfolg unterstellt) die ausbeutungmäßig effektivere Produktionsweise zu übernehmen. Also gibt es schonmal die Notwendigkeit der Verallgemeinerung der effektiveren Produktionsweise in Bezug auf die Produktion abschöpfbaren Reichtums.
Andererseits ist Nationenkonkurrenz auch keine Effektivitätsolympiade d.h. sie ist eine Gewaltkonkurrenz und keine Ausbeutungsweltmeisterschaft. Deshalb ist es nicht notwendig so, dass diejenige Herrschaft mit dem besten Ausbeutungssystem gewinnt. Ich nehm mal die Mongolen, auf die Tofu schon hingewiesen, hat als Beispiel. Das waren nomadisch lebende Stämme, deren Reichtum in ihren Tieren bestand und die an Reichtum nichts anderes hervorbrachten als das, was das Vieh abwarf:
"Die Mongolen leben weitgehend nomadisch. Um neue Weidegründe erschließen zu können, unternehmen sie mit ihren Herden regelmäßige Wanderungen. Die schnell auf- und abbaubare Jurte (mongolisch Ger), ein rundes Zelt mit Filzbedeckung, dient ihnen als Unterkunft. Hauptnahrungsmittel sind Fleisch und vor allem im Sommer vielfältige Milchprodukte. Von geringerer Bedeutung sind Ackerbau, das Sammeln von Pflanzen und die Jagd auf Pelztiere. Pferde, Schafe, Ziegen, Rinder, Kamele sind die klassischen Nutztiere der Mongolen, hinzu kommt in den Hochgebirgsregionen der Yak. (m. encarta)"
Soviel ich weiß war das zu Dschingis Khans Zeiten nicht anders. Trotzdem besiegten sie die Chinesen, denen ich ohne das nachgeprüft zu haben ein effektiveres Ausbeutungssystem zusprechen würde. Immerhin habe die den Bau der chinesischen Mauer bewerkstelligt, während die Khans in Jurten gelebt haben.
"Vermutlich waren die Mongolen zunächst nur ein lockerer Zusammenschluss von Völkern, bis sie von Dschingis Khan zu Beginn des 13. Jahrhunderts vereinigt wurden. Zuvor wurde der Begriff Mongole nur auf einen Nomadenstamm am oberen Amur verwendet. Unter der Herrschaft Dschingis Khans schufen die Mongolen eine mächtige Armee, die westwärts nach Europa und ostwärts nach China vordrang. Das Reich der Mongolen erstreckte sich über große Teile Chinas, Ostasiens, Russlands, Irans und der Türkei; flächenmäßig war es das größte Reich der Weltgeschichte. Doch schon unter Dschingis Khans Söhnen zerfiel es ebenso schnell wie es sich gebildet hatte. (encarta)"
Der Überlegenheit der Mongolen bestand unter anderem darin, dass ihr ökonomisches Werkzeug zugleich eine schlagkräftige Waffe war. Ihr Hütetier, das Pferd, war gleichzeitig als Kavallerie ein schlagkräftiger Truppenteil. Das ganze Volk bestand praktisch aus Rittern. Daher glaube ich nicht so recht daran, dass die ausbeutungsmäßig effektivere Wirtschaftsweise notwendig immer den Sieg davonträgt. (Vielleicht sind die Mongolen aber bis zu einem gewissen Grad auch ein Sonderfall, da ihr ökonomisches Instrument zugleich Kriegswaffe war. Der Reichtum, der fürs Kriegführen notwendig ist muss nicht erst dem Volk von ihrer normalen Produktionsweise abgepresst und hergestellt werden, sondern liegt quasi schon kriegstauglich vor.) Merkwürdig ist ja auch immer, dass diese Riesenreiche mit dem Tod des Anführers meist wieder zerfallen. Also hängt es daran, ob sich die Machteliten in der Unterordnung unter einen Anführer oder in der Konkurrenz gegeneinander mehr versprechen.
"Die Prozesse, die zu den einzelnen gesellschaftlichen Erscheinungen führen sind ausgelöscht wenn sie mal fertig vor einem liegen." Ich weiß nicht ob es dir aufgefallen ist, aber hier gibst du den Grund dafür an, warum es nicht notwendig ist, sich mit Geschichte zu befassen. Wenn die geschichtlichen Prozesse im fertigen Gegenstand ausgelöscht sind, also keine Rolle mehr spielen, wozu soll man sich dann noch mit ihnen befassen?
" Ich hätte das Gefühl, dass man was verschenkt, wenn man das nicht versucht." Natürlich wäre es schön, wenn man im Zusammenhang von Volk, Herrschaft, Produktionsweise sowas ähnliches wie ein "Gesetz der Geschichte" finden könnte. Bloß ist das zunächst nur ein Wunsch. Ich les jetzt erstmal die empfohlene Stelle in den Grundrissen.
Zitat von krim In Wirklichkeit macht macht sich die erfolgreiche Betätigung der Nation in der Staatenkonkurrenz zur Bedingung des Fortkommens der Volksangehörigen
- stimme ich zu. Genau das war mit "unter die Räder kommen" gemeint. Die Erfüllung eines anderen Zwecks steht vor den (Sonder-) Interessen der Volksangehörigen, wenn sie sich von der Menschheit geschieden haben: Die Konkurrenz mit den Ausgeschlossenen (anderen Völkern) um den exklusiven Zugriff auf Reichtumsquellen. Die Gemeinsamkeit der Volksangehörigen besteht also ersteinmal jenseits ihrer Sonderinteressen in einer ihnen gemeinsamen Bedingung. Von ihrem Interesse bleibt nur übrig, dass der Erfolg der Nation eine notwendige Voraussetzung dafür ist. Dann erfüllt man sie eben, könnte man meinen. Es zeigt sich aber, dass diese Bedingung überhaupt nicht z.B. mit dem Bau eines Bewässerungskanals vergleichbar ist. Der wäre auch Bedingung dafür mehr (oder andere) Feldfrüchte anbauen zu können und wenn man sie erfüllt, dann hat man sie... Im Gegensatz dazu haben sie im Fall der Nation diesen Erfolg nicht in der Hand, weil er eben in der Durchsetzung in einer Konkurrenz mit Anderen, die das Gleiche machen besteht. Es gibt keinen Punkt, an dem ein Volksangehöriger sagen kann: So, jetzt ist die Bedingung erfüllt, ab morgen werden die Erträge meines Dienstes an der Nation konsumiert, sondern ob sich Erträge einstellen oder nicht, hängt eben am Verhältnis der eigenen Nation zu den anderen. Deshalb kann der Standpunkt des Ertrages, oder des Sonderinteresses auch nicht oder nur in negativem Sinn maßgeblich für die Zustimmung zur Nation sein. Wenn die Nation unterliegt, gelten auch die eigenen Sonderinteressen nichts oder nur unter Vorbehalt des Siegers. Ein positives Interesse, ein Ertragsstandpunkt wie "Wenn wir die und die besiegen, dann geht's uns gut" verträgt sich zudem nicht damit, dass man die Bedingung aller Interessen, nämlich die eigene Physis dafür einsetzt den Feind zu besiegen. [[[ Die Normannen haben sich vor dem Kampf berauscht d.h. nur mit Wahnvorstellungen lies sich ihr Materialismus mit dem Umstand, dass sie in gerade komplett in Frage stellen versöhnen. Nach dem Tod bei Odin im Walhall leben und Wildschweine jagen etc... Solche Vorstellungen hat jedes Volk und sie sind immer gleich: Es wird sich ein fiktives, jenseitiges Volkszuhause halluziniert, in dem der eigene Materialismus dann gut aufgehoben ist, weil die Wirklichkeit dieses Gewaltverhältnisses ihn aus der Welt gepresst hat bzw. in dem für den Verzicht darauf entschädigt wird. Ob das als Kompensation für den Tod im Krieg, die Fiktion ist, man wäre für die Lieben daheim unterwegs gewesen und die laufen dann ständig danke sagend durch den Tag, oder der Dank des Volkes, wobei man sich alle Generationen auf einem Haufen denken soll, oder eben sowas wie das Walhall.]]] Der letzte Punkt in Klammern ist nur der deutlichste Wink, dass ein irgendwie positives, befriedigtes Sonderinteresse, in dessen Genuss man nach Erfüllung seiner Bedingungen kommt nicht das sein kann, was man als Gemeinsamkeit mit den anderen Volksangehörigen pflegt. Es bleibt also nur die negative Seite der Bedingung: Die Nation muss zu ihrem Recht kommen, damit überhaupt irgendwas geht. Irgendwie kommt ihr Interesse also schon zum Zug - aber als komplettes Anhängsel der Nation, des Imperialismus. Dass die Zustimmung zum Volk auf den Unterschieden beruht wie die Sonderinteressen zum Zug kommen ("Andere Teile gewinnen nie..."etc...) stimmt deshalb nicht. Es haben alle den gleichen Grund zu einer fiktiven, ideologischen Gemeinsamkeit, nämlich den, dass dieses Verhältnis Mittel für kein einziges Interesse der Gesellschaft ist. Es ist für alle Schranke, notwendige Schranke - und es ist ja auch in Wirklichkeit nicht so, dass die Kapitalisten Parteigänger der Nation sind, weil sie was davon haben und die anderen in Ermangelung brauchbarer Ergebnisse auf smoke and mirrors zurückgreifen. Ja und jetzt kann ich mich nur nochmal wiederholen:
Sich diese Gemeinsamkeit in der Zurücksetzung des eigenen Interesses durch die Konkurrenz mit anderen, gleichartigen Gemeinschaften als was positives, eigenes, einem entsprechendes zu denken, das ist der Übergang in dieses verselbständigte Bewusstsein des Volkes von sich selbst (Gründungsmythen, Geschichte etc...).
Du hast meinen letzten Beitrag missverstanden und bist bzgl. der Geschichte immer noch auf GSP Linie das ist erstmal noch kein Einwand, sondern nur das festhalten einer Differenz. Soviel, dass ich deren Ausblenden der Geschichte verkehrt finde sollte aber schon klar sein.
Dialogsequenz:
Zitat von libelle Die Prozesse, die zu den einzelnen gesellschaftlichen Erscheinungen führen sind ausgelöscht wenn sie mal fertig vor einem liegen.
Zitat von krim Ich weiß nicht ob es dir aufgefallen ist, aber hier gibst du den Grund dafür an, warum es nicht notwendig ist, sich mit Geschichte zu befassen. Wenn die geschichtlichen Prozesse im fertigen Gegenstand ausgelöscht sind, also keine Rolle mehr spielen, wozu soll man sich dann noch mit ihnen befassen?
Mal ein Beispiel, wie man auf solche Prozesse als Gegenstand der Erklärung von Momenten der heutigen Gesellschaft kommt:
Zitat von Marx, Kapital Bd.1 741Indes setzt die Akkumulation des Kapitals den Mehrwert, der Mehrwert die kapitalistische Produktion, dieser aber das Vorhandensein größerer Massen von Kapital und Arbeitskraft in den Händen von Warenproduzenten voraus. Diese ganze Bewegung scheint sich also in einem fehlerhaften Kreislauf herumzudrehn, aus dem wir nur hinauskommen, indem wir eine der kapitalistischen Akkumulation vorausgehende "ursprüngliche" Akkumulation ("previous accumulation" bei Adam Smith) unterstellen, eine Akkumulation, welche nicht das Resultat der kapitalistischen Produktionsweise ist, sondern ihr Ausgangspunkt.
All die Prozesse, die Marx dann im Kapitel über die ursprüngliche Akkumulation beschreibt sind im Ergebnis (Kapitalakkumulation) ausgelöscht. Das ist erst einmal ein Indiz dafür, dass dein Argument nicht stimmt. Daraus, dass ein Prozess zu einem historischen Ergebnis geführt hat und endet folgt nicht, dass er nicht noch Gegenstand der Erklärung seines Ergebnisses werden kann, nur muss diese Notwendigkeit sich aus dem Resultat also in Marx's Fall der Kapitalakkumulation ergeben. Im obigen Beispiel heißt sie "fehlerhafter Kreislauf", alles setzt sich selbst voraus und verweist darin auf einen vorausgegangenen Prozess seiner Entstehung.
Das, was ich in meinem letzten Beitrag zur Geschichte vorgeschlagen habe geht anders. Ich zitiere nochmal die beste Version:
Zitat von libelle Wer sich vornimmt zu erklären, was ein Volk ist, der kommt an einer Befassung mit Geschichte nicht vorbei, weil Volk kein kapitalistisches Spezifikum ist, und deshalb das Verhältnis von Volk und Kapitalismus was zu Klärendes, das sich in das Verhältnis von Volk und Produktionsverhältnissen auflöst. Der Zusammenschluss zu einem Volk hat einen ökonomischen Grund und deshalb gibt es da ein Verhältnis und das besteht nicht in der "Auswahl" der Produktionsverhältnisse durch das Volk, die irgendwie unabhängig von ihm entstehen, sondern dieses Gewaltverhältnis ist ein ganz wesentlicher Grund der Änderung und Entwicklung von Produktionsverhältnissen. Diese ganze Geschichte ist zu klären, wenn man was über das Volk schreibt.
Was ist die Idee: Volk gibt es schon immer, es ist kein kapitalistisches Spezifikum. Deshalb gibt es ein Verhältnis zwischen Kapitalismus und Volk, das zu bestimmen ist. Zur Unterscheidung: Auf die Frage nach dem Verhältnis zwischen Lohnarbeit und Kapitalismus, Kapital und Kapitalismus käme man nicht, weil Lohnarbeit und Kapital eben zu ihm gehören, nicht unabhängig vom Kapitalismus sind. Das Volk ist aber etwas gegen den Kapitalismus Selbständiges, es ist sogar etwas gegen alle besonderen Produktionsweisen Selbständiges. Da ist doch die Frage: Nach welchen Kriterien gesellen sich denn Produktionsverhältnisse und Volk zueinander? Und da habe ich eine Antwort gegeben: Das Volk macht Produktionsverhältnisse bzw. ist historisch zu verfolgen, wie Völker bei sich Produktionsverhältnisse hergestellt haben. Das heißt nicht, dass jemand kommt und sagt: 'Wie wär's denn mal wieder mit neuen Produktionsverhältnissen?' - und dann werden sie gemacht o.ä., sondern in Verfolgung ihrer Interessen, indem sie versuchen das, was sie gerade tun auf immer größerer Stufenleiter zu reproduzieren modifizieren sie die Produktionsverhältnisse.
Beispiel die Azteken, wo die kriegerischen Verhältnisse mit auswärtigen Völkern und deren Unterwerfung zu den Anfängen eines Feudalsystems geführt hat (Hörigkeit, Grundholde, Lehen (noch nicht oder nur teilweise erblich)). D.h. der Volkszweck sich Reichtumsquellen zu sichern bzw. sich Zugriff auf welche zu verschaffen ändert die Produktionsverhältnisse und sorgt für Einrichtungen, die es in der Gentilgesellschaft nicht gab, die dann aber nach und nach (mit zunehmender Eroberung) bestimmend für die Produktion werden. Nach innen ist den Familienverbänden (Calpullis) aufgetragen worden zusätzliches Land für die im Feld stehenden Truppen zu bestellen. So hängen Volk und Produktionsverhältnisse im Fall der Azteken zusammen: Ihre kriegerischen Händel führen dazu, dass die Stammesproduktion sich auflöst. Und sehr wohl ist das Volk etwas, an dem entlang sich da die Entwicklung der Produktionsverhältnisse entscheidet.
Ich finde auch, daß libelles Feststellung, bzw. seine Frage "Das Volk ist aber etwas gegen den Kapitalismus Selbständiges, es ist sogar etwas gegen alle besonderen Produktionsweisen Selbständiges. Da ist doch die Frage: Nach welchen Kriterien gesellen sich denn Produktionsverhältnisse und Volk zueinander?" nicht eingeengt werden sollte zur Frage, wie sich das im Kapitalismus, wohlmöglich "nur" im modernen Imperialismus verhält. Auch wenn das natürlich das ist, was einem als Heutiger am meisten am Herzen liegt.
Dass ich nicht auf dem Standpunkt stehe, dass man sich um Geschichte nicht zu kümmern braucht, dürfte eigentlich mittlerweile klar sein. Aber wenn ihr (Tofu?, Libelle) ständig eine Notwendigkeit wollt, dass Geschichte teil der Erklärung sein muss, dann müsst ihr sie auch benennen und dann frag ich eben auch danach.
"Das Volk ist aber etwas gegen den Kapitalismus Selbständiges, es ist sogar etwas gegen alle besonderen Produktionsweisen Selbständiges." Was meinst du denn mit "selbstständig"? Klar ist das Allgemeine immer etwas anderes als das Besondere. Ein kapitalistische Volk ist etwas anderes als z.B. die germanischen Völker zur Zeit der Völkerwanderung. Und wenn man erklärt was ein kapitalistsiches oder feudales Volk ist, hat man nicht seinen allgemeinen Begriff erklärt. Oder was meinst du? Als Material hat man doch immer ein historisch besonderes Volk vor sich, ob das nun im Moment existiert oder existiert hat. Das ist doch dann schon die Notwendigkeit für eine historische Betrachtung. Es gibt gar keine anderen Völker als historische. Was ein Volk allgemein ist, muss daraus erst erschlossen werden.
"Der Zusammenschluss zu einem Volk hat einen ökonomischen Grund... - Das Volk macht Produktionsverhältnisse bzw. ist historisch zu verfolgen, wie Völker bei sich Produktionsverhältnisse hergestellt haben." Ich verstehe nicht, warum du meinst die beiden Sätze würden inhaltlich das selbe aussagen. Im ersten sagst du die Ökonomie sei der Grund für das Volk, im zweiten das Volk sei der Grund der Ökonomie. Zweiteres, einschließlich deinem Aztekenbeispiel finde ich richtig.
Nach dem Lesen des entsprechenden Abschnittes in den Grundrissen bin ich erstmal dafür, die abstrakte Frage nach der Notwendigkeit einer geschichtlichen Behandlung zurückzustellen und erstmal einen anderen Punkt zu diskutieren, aus dem sich dann vielleicht sogar sowas wie ein begriffliches Fortschreiten ableiten lässt. Ich meine das ist was ganz grundlegendes, das auch das Verhältnis von Volk und Ökonomie klärt. Es handelt sich um die Frage des Eigentums. Also nicht nur des Privateigentums im Kapitalismus, sondern grundlegender verstanden.
"Eigentum meint also ursprünglich nichts als Verhalten des Menschen zu seinen natürlichen Produktionsbedingungen als ihm gehörigen, als den seinen, als mit seinem eignen Dasein vorausgesetzten; Verhalten zu denselben als natürlichen Voraussetzungen seiner selbst, die sozusagen nur seinen verlängerten Leib bilden. Er verhält sich eigentlich nicht zu seinen Produktionsbedingungen; sondern ist doppelt da, sowohl subjektiv als er selbst wie objektiv in diesen natürlichen anorganischen Bedingungen seiner Existenz. Die Formen dieser natürlichen Produktionsbedingungen sind doppelt: 1. sein Dasein als Glied eines Gemeinwesens; also das Dasein dieses Gemeinwesens, das in seiner ursprünglichen Form Stammwesen, mehr oder minder modifiziertes Stammwesen ist; 2. das Verhalten zum Grund und Boden vermittelst des //400/ Gemeinwesens als dem seinigen, gemeinschaftliches Bodeneigentum, zugleich Einzelbesitz für den einzelnen, oder so, daß nur die Früchte geteilt werden; der Boden selbst und die Bearbeitung aber gemeinsam bleibt." Karl Marx, Grundrisse MEW 42, pdf S. 415/Buch S. 391
Ich sags mal so. Das Privateigentum erzeugt den Schein, als gäbe es beim Eigentum nur ein Verhältnis des einen einzelnen zu den anderen einzelnen Gesellschaftsmitgliedern. Für den Privateigentümer sind alles nur Konkurrenten. Die erste ursprüngliche Verfügung über die Produktionsmittel geschieht aber durch das Gemeinwesen. Also schließt auch das Privateigentum ein Verhältnis zum Gemeinwesen ein.
"Die einzige Schranke, die das Gemeinwesen finden kann in seinem Verhalten zu den natürlichen Produktionsbedingungen ; der Erde ; (wenn wir gleich zu den ansässigen Völkern überspringen) als den seinen, ist ein andres Gemeinwesen, das sie schon als seinen anorganischen Leib in Anspruch nimmt. Der Krieg ist daher eine der ursprünglichsten Arbeiten jedes dieser naturwüchsigen Gemeinwesen, sowohl zur Behauptung des Eigentums als zum Neuerwerb desselben." S.390
Die Reproduktion des Einzelnen unterstellt ursprünglich Verfügung über natürliche Produktionsbedingung, die er durch Arbeit zu Mitteln seines Lebens macht. Diese Verfügung unterstellt ihn aber gleichzeitig als Glied eines Gemeinwesens, das dafür sorgt, dass er überhaupt Zugriff auf die Natur hat. Das Einzeleigentum (die Aneignung der natürlichen Produktionsbedingungen durch Arbeit - im Unterschied zum Privateigentum) verweist also auf das Gemeineigentum. Keine Aneignung der Natur ohne gemeinschaftlichen Zugriff auf sie als Voraussetzung. Das Gemeineigentum ist Voraussetzung der Reproduktion des Einzelnen, wie der Gesellschaft.
Das Einzeleigentum ist keine in sich abgeschlossene, selbstständig vorhandene Form des Eigentums, sondern existiert immer in einem Verhältnis zum Gemeineigentum. Dieses Verhältnis ändert sich von Produktionsweise zu Produktionsweise. Das Einzeleigentum ist die konkrete Verfügung über Produktionsmittel, d.h. die Aneignung der Elemente der Natur durch Arbeit zum Zweck der Reproduktion des Lebens, Produktion von Lebensmitteln, Aneignung der Natur als Lebensmittel. Gemeineigentum ist abstrakte Verfügung über Produktionsmittel, Zugriff als Gemeinwesen auf die Elemente der Natur als Reichtumsquelle. Das Mittel der Aneignung ist Krieg (Kriegsarbeit).
Geimeineigentum und Einzeleigentum kommen nicht notwendig in jeder Gesellschaft als getrennte selbstständige Formen vor. Marx erläutert das an drei verschiedenen Formen des Grundeigentums.
"In der ersten Form dieses Grundeigentums -; erscheint zunächst ein naturwüchsiges Gemeinwesen als erste Voraussetzung. Familie und die im Stamm erweiterte Familie oder durch intermarriage zwischen Familien, oder Kombination von Stämmen. Da wir annehmen können, daß das Hirtenwesen, überhaupt Wanderung die erste Form der Existenzweise, nicht daß der Stamm sich niederläßt auf einem bestimmten Sitz, sondern daß er abweidet, was er vorfindet – die Menschen sind nicht von Natur seßhaft (es müßte denn sein in so besonders fruchtbarer Naturumgebung, daß sie wie Affen auf einem Baum sitzen; sonst roaming3, wie die wilden Tiere), so erscheint die Stammgemeinschaft, das natürliche Gemeinwesen nicht als Resultat, sondern als Voraussetzung der gemeinschaftlichen Aneignung (temporären) und Benutzung des Bodens.(...) Die naturwüchsige Stammgemeinschaft oder, wenn man will, das Herdenwesen ist die erste Voraussetzung – die Gemeinschaftlichkeit in Blut, Sprache, Sitten etc. – der Aneignung der objektiven Bedingungen ihres Lebens und der sich reproduzierenden und vergegenständlichenden Tätigkeit desselben (Tätigkeit als Hirten, Jäger, Ackerbauer etc.).
Die Erde ist das große Laboratorium, das Arsenal, das sowohl das Arbeitsmittel wie das Arbeitsmaterial liefert wie den Sitz, die Basis des Gemeinwesens. Sie verhalten sich naiv zu derselben als dem Eigentum des Gemeinwesens und des in der lebendigen Arbeit sich produzierenden und reproduzierenden Gemeinwesens. Jeder einzelne verhält sich nur als Glied, als member dieses Gemeinwesens als Eigentümer oder Besitzer. Die wirkliche Aneignung durch den Prozeß der Arbeit geschieht unter diesen Voraussetzungen, die selbst nicht Produkt der Arbeit sind, sondern als ihre natürlichen oder göttlichen Voraussetzungen erscheinen." Buch S. 376/pdf S. 400
"Bei den wandernden Hirtenstämmen ist die Gemeinde in der Tat stets vereinigt, Reisegesellschaft, Karawane, Horde, und die Formen der Über- und Unterordnung entwickeln sich aus den Bedingungen dieser Lebensweise. Angeeignet und reproduziert wird in der Tat hier nur die Herde, nicht die Erde; die aber stets temporär gemeinschaftlich benutzt wird an dem jedesmaligen Aufenthaltsplatz." S. 390 Das Gemeinwesen ist hier nicht identisch mit dem Volk. Trotzdem fällt hier bis zu einem gewissen Grad abstrakter Zugriff auf Weide- oder Jagdgründe und konkrete Verfügung durch das Jagen und die Weidewirtschaft zusammen. Das Dorf /der Stamm muss sich gegen Übergriffe konkurrierender Stämme verteidigen. Die Arbeit wird gemeinschaftlich erledigt.
"Die zweite Form – und sie wie die erste hat wesentliche Modifikationen, lokal, historisch etc. hervorgebracht – das Produkt mehr bewegten, historischen Lebens, [der] Schicksale und Modifikation der ursprünglichen Stämme – unterstellt auch das Gemeinwesen als erste Voraussetzung, aber nicht wie im ersten Fall als Substanz, von der die Individuen bloß Akzidenzen sind oder von der sie rein naturwüchsig Bestandteile bilden –, sie unterstellt nicht das Land als die Basis, sondern die Stadt als schon geschaffnen Sitz der Landleute. (Grundeigentümer.) Der Acker erscheint als Territorium der Stadt; nicht das Dorf als bloßer Zubehör zum Land.
Die Erde an sich – so sehr sie Hindernisse darbieten mag, um sie zu bearbeiten, sich wirklich anzueignen -bietet kein Hindernis dar, sich zu ihr als der unorganischen Natur des lebendigen Individuums, seiner Werkstätte, dem Arbeitsmittel, Arbeitsobjekt und Lebensmittel des Subjekts zu verhalten. Die Schwierigkeiten, die das Gemeindewesen trifft, können nur von andren Gemeindewesen herrühren, die entweder den Grund und Boden schon okkupiert haben oder die Gemeinde in ihrer Okkupation beunruhigen. Der Krieg ist daher die große Gesamtaufgabe, die große gemeinschaftliche Arbeit, die erheischt ist, sei es um die objektiven Bedingungen des lebendigen Daseins zu okkupieren, sei es um die Okkupation derselben zu beschützen und zu verewigen. Die aus Familien bestehende Gemeinde daher zunächst kriegerisch organisiert – als Kriegs- und Heerwesen, und dies eine der Bedingungen ihres Daseins als Eigentümerin. Die Konzentration der Wohnsitze in der Stadt (ist die) Grundlage dieser kriegerischen Organisation. Das Stammwesen an sich führt zu höhren und niedren Geschlechtern, ein Unterschied, der noch mehr entwickelt durch Mischung mit unterjochten Stämmen etc."
"Das Gemeindeeigentum – als Staatseigentum – ager publicus (ist) hier getrennt von dem Privateigentum. Das Eigentum des einzelnen hier nicht wie im ersten case, selbst unmittelbar Gemeindeeigentum, wonach also nicht Eigentum des einzelnen als von der Gemeinde getrennt, der vielmehr nur ihr Besitzer ist. Je weniger faktisch das Eigentum des einzelnen nur verwertet werden kann durch gemeinsame Arbeit – also z.B. wie die Wasserleitungen im Orient –, je mehr der rein naturwüchsige Charakter des Stammes durch historische Bewegung, Wandrung gebrochen; je mehr ferner der Stamm sich entfernt von seinem ursprünglichen Sitz und fremden Boden okkupiert, also in wesentlich neue Arbeitsbedingungen tritt und die Energie des einzelnen mehr entwickelt ist -sein gemeinsamer Charakter mehr als negative Einheit nach außen erscheint – und so erscheinen muß – um so mehr die Bedingungen gegeben, daß der einzelne Privateigentümer von Grund und Boden – besondrer Parzelle wird, deren besondre Bearbeitung ihm und seiner Familie anheimfällt. Die Gemeinde – als Staat – ist einerseits die Beziehung dieser freien und gleichen Privateigentümer aufeinander, ihre Verbindung gegen außen, und ist zugleich ihre Garantie. Das Gemeindewesen beruht hier ebensosehr darauf, daß seine Mitglieder aus arbeitenden Grundeigentümern, Parzellenbauern bestehn, wie die Selbständigkeit der letztren durch ihre Beziehung als Gemeindeglieder aufeinander, Sicherung des ager publicus für die gemeinschaftlichen Bedürfnisse und den gemeinschaftlichen Ruhm etc. besteht.
Voraussetzung bleibt hier für die Aneignung des Grund und Bodens, Mitglied der Gemeinde zu sein, aber als Gemeindemitglied ist der einzelne Privateigentümer. Er bezieht sich zu seinem Privateigentum als Grund und Boden aber zugleich als seinem Sein als Gemeindemitglied, und die Erhaltung seiner als solchen ist ebenso die Erhaltung der Gemeinde, wie umgekehrt etc. Da die Gemeinde, obgleich hier schon historisches Produkt, nicht nur dem fact nach, sondern als solches gewußt, daher entstanden, hier Voraussetzung des Eigentums am Grund und Boden – d.h. der Beziehung des arbeitenden Subjekts zu den natürlichen Voraussetzungen der Arbeit als ihm gehörigen –, diese Gehörigkeit aber vermittelt durch sein Sein als Staatsmitglied, durch das Sein des Staats – daher durch eine Voraussetzung, die als göttlich etc. betrachtet wird. (...)
Die Voraussetzung der Fortdauer dieses Gemeinwesens ist die Erhaltung der Gleichheit unter seinen freien self-sustaining peasants11 und die eigne Arbeit als die Bedingung der Fortdauer ihres Eigentums. Sie verhalten sich als Eigentümer zu den natürlichen Bedingungen der Arbeit; aber diese Bedingungen müssen noch fortwährend durch persönliche Arbeit wirklich als Bedingungen und objektive Elemente der Persönlichkeit des Individuums, seiner persönlichen Arbeit, gesetzt werden. Andrerseits treibt die Richtung dieses kleinen kriegerischen Gemeinwesens hinaus über diese Schranken etc. (Rom, Griechenland, Juden etc.)." Pdf S. 403/Buch S.378-79
Die zweite Form ist also historisches Produkt. Voraussetzung für diese Form ist, dass die Aneignung des Bodens (der Natur als Reichtumsquelle) durch Arbeit nicht mehr notwendig durch Gemeinschaftsarbeit erfolgen muss.
"Das Eigentum an der eignen Arbeit ist vermittelt durch das Eigentum an der Bedingung der Arbeit – der Hufe Land, seinerseits garantiert durch das Dasein der Gemeinde und diese wieder durch die Surplusarbeit in Form von Kriegsdienst etc. der Gemeindeglieder. Es ist nicht Kooperation in der wealth producing16 Arbeit, wodurch sich das Gemeindemitglied reproduziert, sondern Kooperation in der Arbeit für die gemeinschaftlichen Interessen (imaginären und wirklichen) zur Aufrechterhaltung des Verbandes nach außen und innen."
"Eine dritte Form des Eigentums der arbeitenden Individuen, selfsustaining members of the Community, an den Naturbedingungen ihrer Arbeit ist das germanische. Hier ist weder wie in der spezifisch orientalischen Form das Gemeindemitglied als solches Mitbesitzer des gemeinschaftlichen Eigentums (wo das Eigentum nur als Gemeindeeigentum existiert, ist das einzelne Glied als solches nur Besitzer eines besondren Teils, erblicher oder nicht, da jede Fraktion des Eigentums keinem Glied gehört für sich, sondern als unmittelbarem Glied der Gemeinde, also als direkt in der Einheit mit ihr, nicht im Unterschied von ihr. Dieser einzelne ist also nur Besitzer. Es existiert nur gemeinschaftliches Eigentum und nur Privatbesitz. (...)
Bei der Vereinigung in der Stadt besitzt die Gemeinde als solche eine ökonomische Existenz; das bloße Dasein der Stadt als solcher ist verschieden von bloßer Vielheit von unabhängigen Häusern. Das Ganze ist nicht hier aus seinen Teilen bestehend. Es ist eine Art selbständiger Organismus. Bei den Germanen, wo die einzelnen Familienhäupter sich in Wäldern festsetzen, getrennt durch lange Strecken, existiert, schon äußerlich betrachtet, die Gemeinde nur durch die jedesmalige Vereinigung der Gemeindeglieder, obgleich ihre an sich seiende Einheit gesetzt ist in Abstammung, Sprache, gemeinsamer Vergangenheit und Geschichte etc. Die Gemeinde erscheint also als Vereinigung nicht als Verein, als Einigung, deren selbständige Subjekte die Landeigentümer bilden, nicht als Einheit. Die Gemeinde existiert daher in fact nicht als Staat, Staatswesen, wie bei den Antiken, weil sie nicht als Stadt existiert. Damit die Gemeinde in wirkliche Existenz trete, müssen die freien Landeigentümer Versammlung halten, während sie in Rom z.B. existiert, außer diesen Versammlungen, in dem Dasein der Stadt selbst und der Beamten, die ihr vorgesetzt sind etc.
Zwar kommt auch bei den Germanen der ager publicus, das Gemeindeland vor oder Volksland, im Unterschied von dem Eigentum des einzelnen. Er ist Jagdgrund, Weidegrund, Holzungsgrund etc., der Teil des Landes, der nicht geteilt werden kann, wenn er in dieser bestimmten Form als Produktionsmittel dienen soll. Indes erscheint nicht, wie bei den Römern z.B., dieser ager publicus als das besondre ökonomische Dasein des Staats neben den Privateigentümern, so daß diese eigentlich Privateigentümer als solche sind, soweit sie ausgeschlossen waren, priviert1 waren, wie die Plebejer, [von] der Benutzung des ager publicus. Der ager publicus erscheint vielmehr nur als Ergänzung des individuellen Eigentums bei den Germanen und figuriert als Eigentum nur, soweit er gegen feindliche Stämme als Gemeinbesitz des einen Stammes verfochten wird. Das Eigentum des einzelnen erscheint nicht vermittelt durch die Gemeinde, sondern das Dasein der Gemeinde und des Gemeindeeigentums als vermittelt, d.h. als Beziehung der selbständigen Subjekte //392/ aufeinander. Das ökonomische Ganze ist au fond2 in jedem einzelnen Hause enthalten, das für sich ein selbständiges Zentrum der Produktion bildet (Manufaktur rein als häusliche Nebenarbeit der Weiber etc.). In der antiken Welt ist die Stadt mit ihrer Landmark das ökonomische Ganze; in der germanischen der einzelne Wohnsitz, der selbst nur als Punkt in dem zu ihm gehörigen Land erscheint, keine Konzentration vieler Eigentümer ist, sondern Familie als selbständige Einheit. In der asiatischen (wenigstens vorherrschenden) Form kein Eigentum, sondern nur Besitz des einzelnen; die Gemeinde der eigentliche wirkliche Eigentümer – also Eigentum nur als gemeinschaftliches Eigentum an dem Boden." Buch S. 380-84, pdf 405-408)
Im Unterschied zur zweiten (antiken) Form des Grundeigentums hat das Gemeinwesen der dritten, germanischen Form keine selbstständige äußerliche Existenz, wie in der Stadt, sondern existiert als die verstreute Gemeinschaft der Bodenbesitzer, Bebauer des gemeinschaftlichen Bodens. Die Gemeinschaft existiert vereinzelt an den Orten der Bodenbewirtschaftung einzelner Familien. Als wirkliche Gemeinschaft existiert sie nur als Versammlung der Mitglieder der Gemeinschaft und ökonomisch als gemeinschaftlich benutzter Jagd- Weide- Holz- Fischgrund.
Nochmal in Kurzform: 1. Die ursprüngliche, erste Form des Grundeigentums ist gekennzeichnet durch Einheit von Einzel- und Gemeineigentum. Die Formen haben sich noch nicht getrennt. 2. Zweite, antike Form des Grundeigentums. Aneignung des Boden durch Arbeit Einzelner (als Familie) ist historische Produkt. Konkrete Verfügung über das Produktionsmittel Boden als Einzelglied der Gemeinschaft. Abstrakte Verfügung (Zugriff) über den Boden als Gemeinschaft, die sich in der Stadt als Kriegsgesellschaft konstituiert. 3. Dritte, germanische Form des Grundeigentums. Konkrete Verfügung über den Boden als Einzelglied der Gemeinschaft durch Landbau und gemeinschaftliche Nutzung von Gemeindeflächen als Jagd-, Weide-, Holzgrund. Abstrakte Verfügung über den Boden als Glieder einer Gemeinschaft, die aber außer diesen Gliedern keine selbstständige Existenz (z.B. als Stadt) besitzt, außer auf Versammlungen oder im Krieg.
So weit erstmal. Ich bitte um Kommentare und Reaktionen.
Zitat von ValloDie Reproduktion des Einzelnen unterstellt ursprünglich Verfügung über natürliche Produktionsbedingung, die er durch Arbeit zu Mitteln seines Lebens macht. Diese Verfügung unterstellt ihn aber gleichzeitig als Glied eines Gemeinwesens, das dafür sorgt, dass er überhaupt Zugriff auf die Natur hat. Das Einzeleigentum (die Aneignung der natürlichen Produktionsbedingungen durch Arbeit - im Unterschied zum Privateigentum) verweist also auf das Gemeineigentum. Keine Aneignung der Natur ohne gemeinschaftlichen Zugriff auf sie als Voraussetzung. Das Gemeineigentum ist Voraussetzung der Reproduktion des Einzelnen, wie der Gesellschaft.
Da ich gerade ein Buch über die Menschwerdung der modernen Menschen gelesen habe, fällt mir hier auf, daß hier eine Begriff von Eigentum verwandt wird, der mir noch gar nichts spezifisch Menschliches zu haben scheint. Bei Tieren nennt man den Sachverhalt Revier (und es haben noch nicht mal alle Säugetiere überhaupt ein Revier). Ist das das Gleiche? Die ersten Hominiden bzw. Menschen waren von so geringer Zahl, daß die Abgrenzung der "Eigenen" von den "Anderen", von "unserem" Revier zu "deren" Revier sicher viel lockerer bis nichtexistent war. Schließlich hat es jeweils ewig gedauert, bis neue Hominiden sich die zur Verfügung stehende "ganze" Welt erschlossen und besiedelt hatten.
"Bei Tieren nennt man den Sachverhalt Revier (und es haben noch nicht mal alle Säugetiere überhaupt ein Revier)." Was ein Revier ist, hängt von der Produktionsweise ab. Pflanzenfresser weiden das Gras ab und ziehen dann weiter. Da macht es keinen Sinn ein Revier zu verteidigen, während dem Verteidigen kann man außerdem nicht fressen und soviel ich weiß müssen die Pflanzenvertilger den größten Teil des Tages fressen, um sich überhaupt zu erhalten. In der Produktionsweise würde ich auch den größten Unterschied zu den Tieren sehen. Als die Hominiden noch irgendwelchen reifen Früchten hinterhergezogen sind, würde ich da keinen großen Unterschied zu den Tieren sehen (da war der Mensch ja auch noch nicht ganz Mensch).
Als Jäger macht es schon mehr Sinn einen guten Jagdgrund zu verteidigen. Das bedeutet, dass man mit weniger Arbeit an die Lebensmittel herankommt. Das scheint mir das allgemeine Kriterium (unabhängig von der Produktionsweise, aber natürlich auf der Grundlage einer bestimmten) dafür zu sein, was ein gutes und was ein schlechtes Revier ist. Die Produktivität der Arbeit ist gebunden an einen bestimmten Landstrich höher. Sie erscheint als Qualität der Erde, ergibt sich aber aus dem Verhältnis der menschlichen Arbeit zur Erde. Deshalb würde ich die geringe Zahl als Ursache für ausbleibende Abgrenzung relativieren wollen. Bessere und schlechtere Reviere hat es auch damals schon gegeben und darum wurde sich auch gestritten. Wanderung ist ja immer auch ein Wagnis. Man weiß nicht was kommt und ob das entfernte Land nicht schon besiedelt ist.
Radio x vom 8. April Olympia, Tibet, China - und die "freie Welt" als Schiedsrichter? "Hierzulande ist es sowas wie eine fraglose Selbstverständlichkeit. Und die Kanzlerin sagt es und die Sinnsucher die sagen, ihnen sagt der Buddhismus sehr viel und der Friseur an der Ecke sagt es, der eine Tibetfahne aufhängt: Es spricht brutal gegen die Legitimität chinesischer Herrschaft, was dort passiert. Warum? Na. Es seien doch - man brauche sich bloß den Dalai Lama anzuschauen - herzensgute ihrer Religion und Kultur angehörige Mönche, die dort auf etwas bestehen, was auch jedes Völkchen gerne möchte und nämlich unter sich bleiben, keine Fremdherrschaft dulden, und nach überkommener Tradition nur dem gehorchen, dem sie immer gehorcht haben. Und wenn einem das nicht passe, so müsste man doch trotzdem sagen, Gewalt, Gewalt darf doch kein Mittel der Politik sein und die Chinesen hätten sich gegen dieses Gebot eindeutig verstoßen, dagegen hätten sie also wirklich ganz grobe Verstösse und Fauls begangen. Vorsicht - Überlegung! Es ist eine Sache, wenn man erschrickt, dagegen ist, wie brutal politische Herrschaft ihren Herrschaftsanspruch gegen Untertanen, zumal wenn sie aufmüpfig werden, mit aller Gewalt durchsetzt und es ist eine Sache, wenn man darüber erschrickt gegen Abspaltungstendenzen, Separatismus usw. eine Herrschaft Gewalt einsetzt und zwar so, wie es Herrschaften gegenüber Abtrünnigen eben machen. Das ist ein sehr berechtigtes Erschrecken, denn man könnte darauf kommen, das spricht gegen Herrschaft, das spricht gegen Herrschaft und ihr Mittel ist hier, dort wie anderswo nicht anderes als die Gewalt. Die Gewalt fällt einem nicht auf, wenn sie nicht gerade aktiv angewendet wird, wenn sich alle ihr unterwerfen, gilt es quasi als gewaltloser Zustand, aber auf nichts anderem als Gewalt beruht doch Politik, Herrschaft, Durchsetzung, das Gewaltmonopol des Staates. Hier im Fall Tibet, im Fall Tibet gegen China, da wird etwas anders geurteilt, das nurmal zur Überlegung. Da wird die Sache ganz anders behandelt. Hier werden ganz anders Sympathien und Antipathien verteilt. Hier wird nicht Kritik von Herrschaft geübt. Hier wird nicht eingewandt, was Herrschaft mit Gewalt macht, warum Herrschaft soviel Gewalt braucht. Sondern, hier ist etwas ganz anderes unterwegs. Hier wird mit sehr viel Parteilichkeit für die eine und gegen die andere Herrschaft Partei genommen. Und dafür gibt es ja eine ganze Reihe von Belegen..."
Wir lernen: Eigentlich Abtrünnige unterwerfen sich also, weil sie sonst von der Gewalt als Abtrünnige behandelt werden. Das gilt als gewaltloser Zustand. In Wirklichkeit ist aber das Niederknüppeln oder die Unterwerfung aus Furcht vor den Knüppeln die Grundlage der Herrschaft. (Gewaltmonopol beruht auf Gewalt - offenbar muss man es bloß oft genug behaupten, irgendwann gewöhnt sich der Verstand auch an die offensichtlichsten Tautologien)
Näher zu erklären wäre auch das "berechtigte Erschrecken". Als Argument kommt da nur, dass es gegen Herrschaft sprechen könnte, dass Gewalt eingesetzt wird. Wieso eigentlich? Was da steht ist ein wenig dürftig.
Diskussion Attac versus GegenStandpunkt am 21.04.08 in Wien (1:09) "Privat und Staat, Eigentum und Gewalt - das gehört zusammen. Das Erste geht nicht ohne das Zweite. Eigentum ist schließlich eine juristische, eine rechtliche Kategorie. Ausschließende Verfügungsgewalt über eine Sache,..., heißt die entsprechende Definition von Eigentum. Dass dieses ausschließende funktioniert, Ausschluß anderer von der Benutzung des jeweiligen Objekts. Das ist eine Sache der Gewalt und das Gewaltmonopol hat und ist bekanntlich der Staat, der Staat schützt also nicht einfach das Eigentum, wie es gern behauptet wird, so als finde er es vor und trete nachträgich als Protektor hinzu, sondern er setzt es in Kraft, er stiftet, organisiert überhaupt dieses Verhältnis. Was man auch, konsultiert man die östreichische Staatsverfassung, in dem Zitat 3 unter römisch II., was man auch schön daran sieht, dass er derjenige ist, der auch enteignet, wenn es ihm passt. Es also gesetzlich beschließt. Und genauso ist es übrigens auch mit der Sache der Sozialverpflichtung des Eigentuma im deutschen Grundgesetz zu verstehen, auf die ja andere so große Stücke halten. Die Basis und letzte Instanz des Eigentums ist die Obrigkeit. Und der neue Zweck des modernen Staats besteht darin Reichtumsvermehrung in privater Hand, also die Vermehrung von privatem Eigentum stattfinden zu lassen, an dem er sich dann qua Steuern bedienen kann."
1. Als erstes erfährt man der Staat und seine Gewalt sei die Bedingung des Eigentums, da das Eigentum ein rechtliche Kategorie sei. Dem ist erstmal zu widersprechen. Gemeint ist, dass Eigentum per se eine rechtliche Kategorie sei, also gar nicht anders existieren kann als in der Form des bürgerlichen Privateigentums. In den Grundrissen siehe ein paar Beiträge weiter oben, weiß Marx etwas anderes zu berichten: "Eigentum meint also ursprünglich nichts als Verhalten des Menschen zu seinen natürlichen Produktionsbedingungen als ihm gehörigen, als den seinen, als mit seinem eignen Dasein vorausgesetzten; Verhalten zu denselben als natürlichen Voraussetzungen seiner selbst, die sozusagen nur seinen verlängerten Leib bilden." Eigentum im allgemeinen Sinn ist also die Aneignung der natürlichen Produktionsbedingungen des Menschen, was nicht anderes bedeutet als der Ausschluß anderer von diesen Produktionsbedingungen. Dazu braucht es zwar Gewalt, aber eben keinen bürgerlichen Staat. Im allgemeinen Sinn ist Eigentum zwar ein Gewaltverhältnis, aber eben nicht notwendig eine rechtliche Kategorie.
Zur rechtlichen Kategorie wird es im bürgerlichen Staat, wenn der Staat das Privateigentum zum allgemeinen Prinzip der Ökonomie macht. "Rechtlich" heißt dann aber bloß soviel, dass sich die Staatsgewalt darauf bezieht. Dass das Privateigentum eine Kategorie des Rechts ist, ist eine Folge des Zusammenhangs von staatlicher Gewalt und Eigentum und kein Argument, das begründen könnte, dass der Staat eine Bedingung des Privateigentums ist.
Der bürgerliche Staat setzt das Privateigentum als auschließliche Form des gesellschaftlichen Reichtums durch. Dass die Obrigkeit aber die letzte Instanz des Eigentums wäre, stimmt nicht. Gerade an der Enteignung sieht man das. Da wird ja nicht das Privateigentum abgeschafft, sondern die Gültigkeit des Eigentumsprinzips als Ausnahme von der Regel ausgesetzt und zwar in Fällen, wo sich das Eigentum als Schranke des staatlich definierten Allgemeinwohls erweist. Man kann eben nur immer wieder betonen: Die staatliche Gewalt ist kein Selbstzweck, sondern sie dient Interessen, die allgemein gesprochen, nur aus der Gesellschaft kommen können. Begrifflich gesprochen ist sie eben die Gewalt eines gesellschaftlichen Zwecks und nicht der große Initiator, der aus dem Nichts in die Existenz tritt und sich eine kapitalistische Gesellschaft erschafft. Als Gewalt einer kapitalistischen Gesellschaft von Eigentümern setzt sie die Prinzipien des Eigentums durch. Nicht weil die Gesellschaft aus lauter aufmüpfigen Kommunisten bestehen würde, sondern weil sich die Gesellschaftsmitglieder wegen ihres ökonomischen Zwecks negativ aufeinander beziehen. Der bürgerliche Staat ist die gesellschaftliche Gewalt, die den Eigentümern jeweils die Achtung vor dem Eigentums der anderen aufzwingt, da sie von sich aus nur die Achtung ihres Eigentums beanspruchen. Wegen der Garantie ihres Eigentums wollen sie den Staat. Die Achtung vor fremden Eigentums liegt nicht in ihrem Interesse, sondern wird ihnen vom Staat aufgezwungen.